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Deutschland muss global gerechte Gesundheitsforschung stärker unterstützen

Bielefeld, den 26.01.2023
Covid-19 hat einmal mehr gezeigt, wer von medizinischer Forschung profitiert und wer nicht. Noch deutlicher ist diese Ungerechtigkeit beim globalen Gesundheitsproblem der vernachlässigten Tropenkrankheiten (neglected tropical diseases/NTDs). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet 20 Tropenkrankheiten als „vernachlässigt“, darunter Bilharziose, Chagas und die Schlafkrankheit. „Die frappierende Unterversorgung bei vernachlässigten Tropenkrankheiten ist ein dramatisches Beispiel dafür, wie fehlgesteuert kommerzielle Pharma-Forschung ist. Wenn die Industrie einen Markt nicht als lukrativ genug ansieht, wird nicht investiert – selbst wenn die Erkrankungen Millionen Menschen weltweit betreffen“, kritisiert Max Klein von der BUKO Pharma-Kampagne anlässlich des Welt-NTD-Tages am 30. Januar. „Wegen dieses Marktversagens kommt staatlichem Engagement eine Schlüsselrolle zu. Gerade Deutschland als wichtiger Forschungs- und Lehrstandort ist gefragt. Globalisierung und Klimawandel werden die vernachlässigten Tropenkrankheiten künftig noch stärker zu einer universellen Herausforderung machen.“ 

Laut WHO sind weltweit 1,7 Milliarden Menschen von NTDs betroffen. Viele dieser Erkrankungen begleiten die Menschheit seit Langem, beispielsweise die Lepra, der ein eigener jährlicher WHO-Aktionstag gewidmet ist (dieses Jahr am 29.1.). Dennoch stehen die PatientInnen nur selten im Fokus, denn betroffen sind primär die Ärmsten der Armen, zumeist Frauen und Kinder im Globalen Süden. Viele Überlebende leiden lebenslänglich unter gravierenden körperlichen und psychischen Folgen, Stigma und sozialer Ausgrenzung.

In den Nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen findet sich das ambitionierte Vorhaben, NTDs bis 2030 zu beseitigen. In einigen Bereichen gab es tatsächlich Erfolge, zum Beispiel die Kampagne gegen das Trachom, eine der global häufigsten Ursachen von Erblindung. Doch die bisherigen Errungenschaften sind durch die Verwerfungen der Covid-19-Pandemie gefährdet und strukturelle Hürden verhindern weitere Fortschritte. Soziale Faktoren haben maßgeblichen Einfluss: Ob Menschen beispielsweise Zugang zu adäquater Nahrung, sauberem Wasser und einer angemessenen Unterkunft haben, sowie der Armut entkommen können, wirkt sich gravierend auf die Gefährdung durch NTDs aus. Zugleich werden bessere medizinische Instrumente für die Eindämmung bzw. Ausrottung der vernachlässigten Tropenkrankheiten benötigt. Der private Pharma-Sektor nutzt das Themenfeld seit einigen Jahren gerne zur Imagepolitur, speziell durch Schenkung existierender Medikamente, lässt die Forschung aber weiterhin ein Schattendasein fristen.

Viele Medikamente, die gegen NTDs Verwendung finden, sind alt, haben schwere Nebenwirkungen oder sind nicht für alle PatientInnen geeignet. Bei der Diagnostik sind die Lücken zum Teil noch größer, gerade geeignete Schnelltests existieren oft nicht. Mangel herrscht zudem bei Impfstoffen, gerade für parasitäre Krankheiten sind sie schwer zu entwickeln. Nur bei sehr wenigen NTDs wie etwa Dengue sind Optionen auf dem Markt. Besonders dramatisch unterversorgt sind Menschen im Globalen Süden, die von giftigen Schlangen gebissen werden. Trotz zehntausender Todesfälle jährlich herrscht in vielen Ländern extremer Mangel an geeigneten und bezahlbaren Gegengiften.

In den Nachhaltigen Entwicklungszielen findet sich auch das Bekenntnis, Forschung und Entwicklung zu Krankheiten zu unterstützen, von denen primär ärmere Länder betroffen sind. Es braucht einen grundlegenden Wandel im globalen Forschungssystem, um dem Ziel einer angemessenen Gesundheitsversorgung für alle näher zu kommen. Dazu Max Klein: „Öffentliche Forschung zu NTDs an Hochschulen und spezialisierten Einrichtungen ist von herausragender Bedeutung, wenn der private Sektor lieber auf finanzkräftige PatientInnen schaut. Es braucht mehr Präsenz des Themas in der Lehre und bessere finanzielle Voraussetzungen für die Forschung. Die Politik steht in der Pflicht, dass auch die Gesundheitsbedürfnisse der ärmsten Menschen weltweit Beachtung finden.“

Mit dem neu gestarteten Projekt „Vernachlässigte Tropenkrankheiten: Hartnäckige Herausforderungen für Universal Health Coverage“ möchte die BUKO Pharma-Kampagne den globalen Versorgungsproblemen bei NTDs mehr Gehör verschaffen und Lösungsansätze aufzeigen. Nähere Infos finden Sie auf der Projektseite

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