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Sanofi nimmt Humaninsulin weltweit vom Markt

Wegen angeblicher Herstellungsprobleme beendet Sanofi die Produktion fast aller Zubereitungen von Human­insulin.[1] Damit setzt die Firma auf Insulinanaloga, die erheblich teurer sind. Umstellungsprobleme für die Patient*innen sind vorprogrammiert.

Obwohl Insulinanaloga keine relevanten Vorteile gegenüber Humaninsulin bieten, werden sie seit Jahren von den Herstellern gepusht, denn sie sind gewinnträchtiger. Die Analoga von Sanofi sind in Deutschland 34 % bzw. 57 % teurer als die jetzt zurück­gezogenen Produkte der Firma.[2]

An den gesamten Insulinverordnungen beträgt der Anteil von Humaninsulinen nur noch gut 20 %. 2012 waren es noch gut 50 %. Dieser Rückgang ist nach Auffassung von AkdÄ und ­DEGAM Ausdruck eines geschickten Marketings. Denn bis heute liegt keine wissenschaftliche Evidenz dafür vor, dass Insulinanaloga im Vergleich zu den Humaninsulinen einen Vorteil hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte haben.[3]

Allerdings unterscheiden sich Humaninsulin und Analoga in der Geschwindigkeit des Wirkeintritts und der Dauer der Wirkung.[4] In einem Rundschreiben an Ärzt*innen räumt Sanofi selbst ein, dass die Umstellung auf Insulinanaloga Probleme bereiten kann und engmaschigere Blutzuckerkontrollen erforderlich macht.[5]

Zwar gibt es noch Humaninsulin von wenigen anderen Anbietern, aber es ist fraglich, ob sie die entstehende Lücke füllen werden. Dafür müssten sie ihre Produktionsanlagen ausbauen. Das ist unwahrscheinlich, denn auch die Konkurrenz setzt seit Jahren auf die teureren Analoga. Und das weltweit. Bereits vor über zehn Jahren berichteten wir über als Postmarketing-Studien getarnte Werbekampagnen für Analoga im Globalen Süden.[6]

Dabei sind dort die Preisunterschiede zwischen Humaninsulin und Analoga noch deutlich größer als hierzulande. So ergab eine 2016 von Health Action International in 13 Ländern mit mittlerem bis geringen Einkommen durchgeführte Untersuchung, dass bei kurzwirksamen Insulinen die Analoga im Schnitt doppelt so teuer waren wie Humaninsulin, bei langwirksamen Insulinen betrug die Preisdifferenz sogar ein Mehrfaches. Auch um die Verfügbarkeit war es oft schlecht bestellt.[7]

Um auf internationalen Märkten höhere Preise durchsetzen zu können, werden die in Deutschland tatsächlich von den Krankenkassen für Analoga zu zahlenden Preise geheim gehalten. Da wegen fehlender Vorteile Analoga nur bis zum Festbetragspreis für Humaninsulin erstattet werden dürfen, geben die Hersteller aber tatsächlich Rabatte – nur über die erfährt man in der Regel nichts.

Sollten andere Hersteller dem Rückzug von Sanofi nachfolgen, könnte der Preisanker Humaninsulin entfallen, Kostensteigerungen wären die logische Folge. Das lässt die Debatte über Lieferengpässe in einem anderen Licht erscheinen. Denn hier wird ein bewährter und sicher auch gewinnträchtiger Wirkstoff zugunsten noch profitablerer einfach fallengelassen. In Kalifornien hat man aus den dort noch viel größeren Preissprüngen Konsequenzen gezogen: Eine Insulinproduktion durch die staatliche Firma CalRx wird vorbereitet (siehe Kasten).[8]  (JS)

Artikel aus dem Pharma-Brief 4-5/2023, S. 1

 

[1] Lediglich das für Insulinpumpen gedachte Insuman Infusat bleibt auf dem Markt.

[2] arznei-telegramm (2023) Insuman – aus Lieferdefizit wird Marktrücknahme; 54, S. 47

[3] DEGAM (2023) Gemeinsame Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) zur Einstellung von Produktion und Vertrieb sämtlicher Humaninsuline durch Sanofi. 2. Juni www.degam.de/files/Inhalte/Degam-Inhalte/Ueber_uns/Positionspapiere/20230613_DEGAM_AkdAe_Insuline_Sanofi.pdf [Zugriff 11.7.2023]

[4] Egidi G (2020)  Welchen Stellenwert haben Insulinanaloga in der Behandlung des Diabetes? AVP; 47, S. 66 https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/2020-1-2/066.pdf

[5] Sanofi (2023) Kundenschreiben Insuman https://a-turl.de/saix

[6] Pharma-Brief (2012) DiabetikerInnen in Not getrieben. Nr. 5, S. 1

[7] Ewen M et al. (2019) Insulin prices, availability and affordability in 13 low-income and middle-income countries. BMJ Global Health; 4, p e001410 http://dx.doi.org/10.1136/bmjgh-2019-001410

[8] Sherkow JR et al. (2023) Assessing – and Extending – California’s Insulin Manufacturing Initiative. JAMA; 329, p 533