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Industriespende für Forschung löst die Probleme nicht

Anfang Juli 2020 versprach der internationale Verband von Big Pharma (IFPMA) knapp eine Milliarde US$ für die Erforschung neuer Antibiotika.[1] Damit reagiert die Industrie auf die Kritik an ihrem weitgehenden Ausstieg aus der Entwicklung von Medikamenten gegen resistente bakterielle Krankheitserreger.

Wer meint, dass sich die Industrie eines Besseren besonnen hat, und selbst wieder in die Erforschung neuer Antibiotika einsteigt, wird enttäuscht. Die Großen der Branche werden weiterhin in lukrativeren Bereichen wie Krebs oder Diabetes investieren. Das Geld soll an kleinere Biotechunternehmen gehen. Auf sie wird das Risiko abgewälzt, das mit der Erforschung neuer Wirkprinzipien und kleinen Absatzmärkten verbunden ist. Big Pharma will diesen Firmen „technische Unterstützung und Zugang zum Know-how gewähren, um die Antibiotika-Entwicklung zu stärken und den Zugang und den angemessenen Einsatz von Antibiotika zu unterstützen.“[1]

Health E Mikroskop Antibiotika AblasshandelGar nicht so viel

Eine Milliarde, das klingt nach viel Geld. Aber die Summe soll über zehn Jahre verteilt fließen und es beteiligen sich 24 Unternehmen. Das bedeutet im Schnitt pro Firma rund vier Millionen Euro pro Jahr.

Verteilt werden soll das Geld durch ein vom IFPMA ins Leben gerufenes Public Private Partnership, den „AMR action fund“. Kommissarischer Geschäftsführer ist Martin Bott, Vice-President Finance bei Eli Lilly. Laut dem Pharmaverband sind die Europäische Investmentbank, der Wellcome Trust und die WHO mit im Boot.

Das kann man durchaus auch als Konkurrenzgründung zum Global Antibiotic Research and Development Partnership (GARDP) verstehen, das 2016 von der Weltgesundheitsorganisation und der gemeinnützigen Drugs for Neglected Diseases initiative (DNDi) gegründet wurde und unter anderem von Deutschland finanziell unterstützt wird. Auch hier gibt es eine Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und der Industrie, aber die WHO und DNDi haben den Hut auf.

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn hob bei der öffentlichen Vorstellung des AMR action fund hervor, dass dadurch zusätzliche Mittel für die Antibiotikaforschung zur Verfügung gestellt würden, mahnte aber eine enge Abstimmung mit dem WHO Aktionsplan gegen Resistenzen und existierenden AMR-Initiativen wie GARDP an. Auch sei es notwendig, bereits während der Entwicklung an den sorgsamen Gebrauch der neuen Produkte zu denken.[2]

WHO Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus begrüßte den neuen Fonds, weil die Firmen die Antibiotikaforschung vernachlässigt hätten und öffentliche Förderung die Lücke nicht ganz schließen könne. Angesichts der schwierigen Finanzlage der WHO – besonders seit dem angekündigten Ausstieg der USA – greift der WHO Chef offensichtlich nach jedem Strohhalm, notwendige Projekte zu finanzieren. Dabei ist absehbar, dass auch dieses Public Private Partnerships ebenso viele Probleme verursachen wird, wie es zu lösen versucht. Wie die Entscheidungsstrukturen des AMR action fund gestaltetet werden sollen, ist derzeit weder der Website des Fund noch den Mitteilungen von IFPMA zu entnehmen.

Marktreformen?

Es gibt aber noch einen weiteren kritischen Punkt auf der Agenda des AMR action fund: „Eine Allianz aus Industrie und Nicht-Industrie-Partnern zusammen[zu]bringen – darunter gemeinnützige Organisationen, Entwicklungsbanken und multilaterale Organisationen – in der Hoffnung, Regierungen den Anstoß zu geben, Marktreformen umsetzen, die wieder nachhaltige Investitionen in die Antibiotika-Pipeline ermöglichen.“[1] Im Klartext bedeutet das eine Lobby für höhere Preise für Antibiotika, damit das Ganze für die AktionärInnen zum lukrativen Geschäft wird.

Rechenexempel

Last but not least: Der AMR action fund will innerhalb von zehn Jahren zwei bis vier neue Antibiotika auf den Markt bringen. Das ist höchst erstaunlich, reichen doch eine Milliarde US$ nach bisherigen Angaben der Indus­trie nicht mal für die Entwicklung eines einzigen Medikaments aus.  (JS)

Artikel aus dem Pharma-Brief 6/2020, S.1

Bild Mikroskop © Health-e

[1] IFPMA (2020) Neuer AMR Action Fund soll mit Investitionen der Pharmaindustrie in Höhe von 1 Mrd. US-Dollar die vom Zusammenbruch bedrohte Antibiotika-Pipeline retten. Pressemitteilung vom 9. Juli www.ifpma.org/resource-centre/new-amr-action-fund-steps-in-to-save-collapsing-antibiotic-pipeline [Zugriff 11.8.2020]

[2] AMR action fund (2020) Global launch highlights from Berlin. 23 July https://amractionfund.com/resource/global-launch-highlights-from-berlin [Zugriff 11.8.2020]