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Ringen um Zugang zu neuen Impfstoffen

Die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) sollte durch innovative Impfstoffforschung neue Wege in der Epidemie-Bekämpfung gehen. Dafür gab es auch umfangreiche Förderung aus Deutschland. Nun steckt das junge Projekt in einer hausgemachten Krise, ausgelöst durch die Verwässerung seiner Zugangspolitik.

Medizinische Innovation ohne angemessenen Zugang ist so problematisch wie häufig. Besonders fragwürdig wird es, wenn eine Neuentwicklung mit öffentlichen Geldern finanziert wurde und PatientInnen am Ende dennoch mit schlechter Verfügbarkeit konfrontiert sind. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die hohe Preishürde für das Präparat Truvada® (Emtricitabin/Tenofovir) in den USA. Nationale Forschungseinrichtungen, fast ausschließlich finanziert durch Steuergelder, hatten einen neuen Anwendungsbereich von Truvada erforscht und eine Therapie zur HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) entwickelt. Das Medikament kann nun präventiv eingesetzt werden, um stark gefährdete Personen aus Hochrisikogruppen vor einer HIV-Infektion zu schützen. Der Hersteller Gilead hält jedoch trotz des neuen Anwendungsbereichs an seinem alten Produkt-Patent fest und diktiert in den USA den Preis. Dieser liegt bei 1.600 bis 2.000 US-Dollar monatlich.[1] In Europa gibt es hingegen inzwischen viel günstigere Generika.[2]

Ein globaler Versicherungsschein

Dass öffentliche Forschungsinvestitionen am Ende die Kassen privater Unternehmen füllen, ist kein Einzelfall. Daher spielt bei der Vergabe öffentlicher Mittel die Ausgestaltung sogenannter Access Policies eine elementare Rolle. Sie können über verbindliche Regelungen den breiten Zugang zu Forschungsergebnissen sichern. Welches Konfliktpotenzial dieses Thema bietet, zeigt sich momentan bei der der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI).

2017 – noch unter dem Eindruck des vorangegangenen Ebola-Ausbruchs in Westafrika – gegründet, sollte die Koalition eine schnellere medizinische Reaktion auf Pandemien ermöglichen. Der Fokus lag auf der Impfstoffentwicklung gegen vernachlässigte Krankheiten, zunächst primär gegen MERS-CoV (Middle East respiratory syndrom-related coronavirus), Lassa-Fieber und das Nipah-Virus. Die öffentlich-private Partnerschaft, bestehend aus nationalen Regierungen, der EU-Kommission, der WHO, Forschungsinstitutionen, Wirtschaftsakteuren, Organisationen der Zivilgesellschaft sowie privater und öffentlicher Stifter sollte nach eigenen Worten ein „globaler Versicherungsschein“ sein.[3]

CEPI stellt einen speziellen Fall in der Impfstoffforschung dar. Zum einen aufgrund seines gigantischen Fördervolumens von 1 Mrd. US-Dollar für die erste Förderphase. Zum anderen durch den großen Umfang der Leistungen. So werden nicht nur Forschungsaktivitäten weitreichend finanziert, sondern auch die Arzneimittelproduktion zur Bevorratung neuer Präparate. Hinzu kommen vielfältige Beratungsleistungen für die Partner.

Protest und halbgare Antworten

Die ursprünglichen CEPI-Regelungen zum Zugang bei den entwickelten Produkten und kreierten Daten waren recht umfangreich und fortschrittlich.[4] Ende 2018 allerdings beschloss das Board der Koalition grundlegende Änderungen. Das Ergebnis war eine massive Aufweichung der Leitlinien hin zu einer lapidaren Grundsatzerklärung und ein Schritt zu deutlich mehr Intransparenz.[5]

Infolge dessen schrieben Ärzte ohne Grenzen (MSF), die an der Gründung der Koalition beteiligt waren und sich mit Nachdruck gegen die Neuregelung gewandt hatten, einen offenen Brief an den Verwaltungsrat. Darin ist auch erwähnt, dass die Änderungen anscheinend auf Beschwerden aus der Industrie zurück zu führen sind.[6] Die NGO sähe nun „keine Grundlage mehr dafür, dass CEPI gegenüber seinen öffentlichen und philanthropischen Gebern eine Rechenschaftspflicht über die Vereinbarungen mit Forschungspartnern an den Besitzrechten von geistigem Eigentum, den Umgang mit geistigen Eigentumsrechten oder die Preisgestaltung von CEPI finanzierten Impfstoffen hat.“[5] Auch andere zivilgesellschaftliche Akteure kritisierten, dass Absichtserklärungen in Sachen Access ohne Unterfütterung durch konkrete und transparente Prozesse wertlos seien.[7]

Nach zunächst wenig ergiebigen Antworten seitens CEPI folgte schließlich ein achtseitiges Dokument, u.a. zum Umgang mit Partnerverträgen, Vermarktung und Datentransparenz.[8] Doch auch dabei fielen einige Punkte schnell negativ ins Auge. So tritt CEPI quasi die gesamten Rechte an geistigem Eigentum, wohlgemerkt entwickelt durch öffentliche und private Förderung, schon von Vornherein an private Vertragspartner ab.

Welche Position Deutschland als wichtiger Förderer (100 Mio. US-Dollar) in dieser Auseinandersetzung einnehmen wird, scheint augenblicklich unklar. Als Repräsentant sitzt das Bundeministerium für Bildung und Forschung im Board von CEPI. Klar ist jedoch, eine Partnerschaft, die gerade auch den Verwundbarsten helfen soll, darf sich nicht auf dünne Grundsatzerklärungen verlassen. Anders ausgedrückt: Ein bezahlter „Versicherungsschein“ muss auch gedeckt sein.  (MK)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 2/2019, S. 1

[1] Rowland C (2019) An HIV treatment cost taxpayers millions. The government patented it. But a pharma giant is making billions. Washington Post 26 March https://wapo.st/2FBCXHP?tid=ss_mail&utm_term=.2ba21f2ce73b  [Zugriff 15.04.2019]

[2] Ab rund 50 € pro Monat. at-Datenbank [Zugriff 15.4.2019]

[3] Reuters (2017) Global coalition aims to outpace epidemics with new vaccines www.reuters.com/article/us-davos-meeting-vaccines/global-coalition-aims-to-outpace-epidemics-with-new-vaccines-idUSKBN15231Y  [09.04.2019]

[4] CEPI (2017) CEPI Policy Documentation https://msfaccess.org/sites/default/files/2018-09/CEPIoriginalPolicy_2017.pdf  [09.04.2019]

[5] CEPI (2018) CEPI´s Equitable Access Policy https://cepi.net/wp-content/uploads/2019/01/CEPI-Approach-to-Equitable-Access-13-12-FINAL_0.pdf  [Zugriff 09.04.2019]

[6] Ärzte ohne Grenzen (2019) offener Brief zu CEPIs “Equitable Access Policy“. 5. März www.aerzte-ohne-grenzen.de/sites/germany/files/2019-medikamentenkampagne-offener_brief_cepi_board_equitable_access.pdf  [Zugriff 09.04.2019]

[7] Devex (2019) Battle over CEPI’s access to vaccines policy deepens. www.devex.com/news/battle-over-cepi-s-access-to-vaccines-policy-deepens-94438  [Zugriff 10.04.2019]

[8] CEPI (2019) Advancing Equitable Access to epidemic vaccines through CEPI’s vaccine and platform development agreements https://cepi.net/wp-content/uploads/2019/03/Advancing-Equitable-Access_CEPI_29032019.pdf  [Zugriff 10.04.2019]