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Eine Sondersitzung der Weltgesundheitsversammlung hat den Auftrag zur Erstellung eines Pandemievertrags erteilt. Damit soll die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bessere Instrumente an die Hand bekommen, um auf Pandemien reagieren zu können. Aber bis dahin ist der Weg noch weit und voller Klippen.

Die WHO kann auch bislang schon durch die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) bei Krisen weltweit intervenieren (siehe Kasten). Diese Vorschriften haben sich aber als nicht ausreichend erwiesen, wie die jüngste Covid-19-Pandemie zeigt. Denn die IHR enthalten keine Bestimmungen über den weltweiten Zugang zu Präventions- und Behandlungsmaßnahmen. Dem soll ein noch zu schreibender Pandemievertrag abhelfen. Das hat die Weltgesundheitsversammlung (WHA) am 1.12.2021 beschlossen. Ziel soll „ein umfassender und kohärenter Ansatz zur Stärkung der globalen Gesundheitsarchitektur“ sein, der neue Instru­mente zur Pandemieprävention, der Vorbereitung für den Ernstfall und der angemessenen Reaktion entwickelt „und dabei die Priorität auf Gerechtigkeit setzt.“[1]

Langzeitprojekt

Bis März 2022 soll ein zwischenstaatliches Verhandlungsgremium (Intergovernmental Negotiating Body, INB) mit einer fairen Beteiligung von reichen und armen Ländern und allen Weltregionen gegründet werden. Zwischenergebnisse sollen bei der WHA im Mai 2023 vorgestellt werden, und bei der WHA 2024 soll der fertige Entwurf vorliegen. Welche Form das Vertragswerk annehmen soll, ist dabei noch offen. Es kann also eine WHO-Konvention werden (wie die zur Tabakkontrolle), eine Ergänzung der Internationalen Gesundheitsvorschriften oder ein Vertrag außerhalb der WHO.

Lob und Kritik

Dass die Gerechtigkeitsfrage gestellt wird, ist sicher als Fortschritt anzusehen. Und entgegen ursprünglichen Befürchtungen ist die Koordination bei der WHO angesiedelt und Hauptakteure sind die Mitgliedsstaaten.

Neben Lob für das Vorhaben gab es auch Kritik. Dass Industrieländer, die den Zugang zu Impfstoffen blockieren, sich für den Pandemievertrag stark gemacht haben, wirft Fragen nach der Ernsthaftigkeit auf.[2] Das People’s Health Movement sieht die Gefahr, dass es sich auch um eine Verzögerungstaktik handeln könnte.[3] Nach einigem Zögern haben allerdings viele Staaten die WHO-Resolution unterstützt.WHO/Blink Media - Nana Kofi Acquah

Auch die Gefahr eines Stakeholder-Ansatzes ist nicht zu unterschätzen: Die Resolution sieht vor, dass der INB weitere Akteure in die Verhandlungen mit einbeziehen kann. Also könnten auch kommerzielle Interessenträger und demokratisch nicht kontrollierte Stiftungen Einfluss auf die Debatte bekommen. Auch da gilt es aufmerksam zu bleiben – vor allem, weil außer der generellen Zielsetzung im Grunde noch alles offen ist.

Und was nicht in Vergessenheit geraten darf: Der geplante Vertrag ist kein Ersatz für akut notwendige Maßnahmen zur Bewältigung der Covid-19 Krise. Und wie sollen Staaten einer Pandemie überhaupt wirkungsvoll begegnen, wenn oft schon der Alltag in der regulären Versorgung eine permanente Katastrophe ist? Gerechtigkeit muss jetzt her.  (JS)

 

Was geht jetzt schon?

Die WHO kann auch bislang schon durch die zuletzt 2005 aktualisierten Internationalen Gesundheitsvorschriften (International Health Regulations, IHR)[4] bei grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen aktiv werden. Die IHR sind ein völkerrechtlich bindendes Vertragswerk. Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, geeignete Überwachungssysteme aufzubauen und potenzielle Bedrohungen zu melden. Sie müssen Strukturen etablieren, mit denen Gesundheitskrisen gemeistert werden können. Wenn die WHO einen Gesundheitsnotstand ausruft, kann sie Beschränkungen für den internationalen Verkehr von Menschen und Gütern erlassen sowie Eindämmungsmaßnahmen für alle Länder vorschlagen.

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2021, S.3
Bild © WHO/Blink Media - Nana Kofi Acquah

[1] WHA (2021) The World Together: Establishment of an intergovernmental negotiating body to strengthen pandemic prevention, preparedness and response. SSA2(5) 1 Dec https://apps.who.int/gb/ebwha/pdf_files/WHASSA2/SSA2(5)-en.pdf

[2] Karunakara U (2021) Europe Cannot ‘Treaty’ its Way Out of the Pandemic. Health Policy Watch. 30 Nov https://healthpolicy-watch.news/europe-treaty-pandemic/

[3] Rhodes N (2021) Do we need a pandemic treaty now? People’s Health Movement. https://phmovement.org/do-we-need-a-pandemic-treaty-now-policy-brief-by-peoples-health-movement/  [Zugriff 1.12.2021]

[4] WHO (2005) International Health Regulations. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/246107/9789241580496-eng.pdf