Pharma Brief3 C Schaaber web


Auch Mutter-Kind-Gesundheit gefährdet

Ghana hat auf die Pandemie schnell reagiert und die Zahl der Todesfälle durch Covid-19 ist bisher verhältnismäßig niedrig. Doch die Gesundheitsversorgung hat stark gelitten. Viele Einrichtungen konnten übliche Versorgungsleistungen nicht anbieten, weil es wegen der Pandemie an Testkapazitäten mangelte und Medikamente knapp wurden. Auch Impfkampagnen wurden ausgesetzt. Mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden nun Konzepte umgesetzt, um grundlegende Versorgungsleistungen auch unter Pandemiebedingungen zu gewährleisten.

Rund 118.000 Infektionen und rund 1.000 Todesfälle durch Covid-19 zählte Ghana bis Ende August,[1] die meisten davon in städtischen Ballungsgebieten wie Accra und Kumasi. Bereits sehr früh hatte die Regierung Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. Die Ausstattung von Laboren wurde verbessert, Quarantäne- und Isolationsstationen eingerichtet, Krankenhauskapazitäten aufgestockt. Im Februar hatte Ghana als erster Staat der Welt Corona-Impfstoff über das Covax-Programm erhalten und damit begonnen, die Bevölkerung zu impfen.[2]

Doch die Lage im Gesundheitssystem ist durch die Pandemie äußerst angespannt: Für 1.000 Menschen steht nur ein Krankenhausbett zur Verfügung. Nicht einmal zwei ÄrztInnen und gerade einmal 42 Pflegekräfte und Hebammen kommen in Ghana auf 10.000 EinwohnerInnen.[3] Eine flächendeckende Versorgung der PatientInnen ist vor allem in ländlichen Gebieten nicht gewährleistet. Gesundheitsdienste und Präventionsarbeit wurden wegen der Pandemie eingeschränkt, Impfkampagnen ausgesetzt.covid19 in ghana

Müttergesundheit vernachlässigt

Schon vor der Pandemie war die Müttersterblichkeit in Ghana hoch: Pro 100.000 Lebendgeburten starben 319 Mütter durch Schwangerschaft oder Geburt.[4] In Deutschland sind es sieben.[5] Grund dafür ist vor allem die mangelnde Vorsorge während der Schwangerschaft: Etwa ein Drittel aller Gebärenden nimmt Vorsorgetermine nicht wahr oder hat keinen Zugang dazu. Covid-19 hat diese Situation noch verschlechtert. Agbozo und Jahn untersuchten die Auswirkungen der Pandemie auf die Versorgung von Schwangeren in der ersten Jahreshälfte 2020 und konstatieren einen starken Rückgang an Gesundheitschecks und Blutuntersuchungen in den von Covid-19 besonders betroffenen städtischen Regionen.[6] Um Kontakte zu vermeiden, wurden Vorsorgetermine in das zweite Drittel der Schwangerschaft verlegt und Untersuchungsabstände wurden vergrößert, sofern keine Risiko-Schwangerschaft vorlag. Aus Angst vor Ansteckung vermieden außerdem viele Schwangere den Besuch in Gesundheitseinrichtungen. Die größte Gesundheitseinrichtung des Landes verzeichnete von Januar bis Mai 2020 einen Rückgang der Servicenutzung um bis zu 65%. Die Wissenschaftler befürchten, wenn dieser Trend anhalte, könnten die bereits erzielten Erfolge bei der Müttergesundheit zunichte gemacht werden. Kontinuierliche Investitionen in den Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur seien nötig, um sie für diese und zukünftige Krisen besser zu wappnen.

Pandemie verstellt den Blick auf andere Krankheiten

Während das Gesundheitssystem damit beschäftigt ist, die Ausbreitung von Covid-19 zu bekämpfen, würden andere lokale Krankheitsausbrüche sträflich vernachlässigt, beklagen Derrick Mensah und KollegInnen.[7] Der Ghana Health Service habe am 15. April 2020 409 Fälle von zerebrospinaler Meningitis gemeldet. Fünf der 16 Provinzen Ghanas waren von der Epidemie betroffen. 40 Menschen seien allein in der zweiten Aprilwoche gestorben – bei weitem mehr also als die 9 Corona-Toten im gleichen Zeitraum. Der Ausbruch sei nicht nur besonders schwerwiegend gewesen. Besorgniserregend sei auch die fehlende Reaktion der Behörden, die der derzeitigen Überlastung des Gesundheitswesens geschuldet sei.

Ursache des Meningitis-Ausbruchs sei ein neuer und gefährlicher bakterieller Erregertypus. 10-15% aller PatientInnen sterben daran, wenn sie nicht behandelt werden. In Ghana waren es wegen fehlender Interventionen viermal so viele Tote. Notwendig sei es, das Gesundheitssystem nachhaltig zu stärken, um eine kontinuierliche Versorgung von PatientInnen auch in Krisenzeiten zu gewährleisten, so die WissenschaftlerInnen.

Massenimpfungen verschoben

Etliche Schlüsselbereiche der Versorgung gerieten durch die Pandemie ins Stocken. Die für April/Mai 2020 geplante Impfkampagne gegen Polio wurde wegen des Verbots von Massenveranstaltungen auf den Herbst verschoben, ebenso die Impfkampagne gegen Gelbfieber und auch die Verteilung von Bettnetzen zum Schutz vor Malaria wurde vorerst ausgesetzt. „Inzwischen sind wir zurück am Start“, so Anthony Adofo Ofosu, Generaldirektor des Ghana Health Service. Man habe gemeinsam mit der WHO Pläne erarbeitet, um essenzielle Gesundheitsdienste auch in Zeiten der Pandemie aufrechtzuerhalten.[8] Dazu zählten Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten, Impfprogramme oder auch die Versorgung vulnerabler Bevölkerungsgruppen wie Kindern und älterer Menschen. Viele Anstrengungen seien unternommen worden, um das Risiko einer Covid-19-Ansteckung im Gesundheitssektor zu minimieren – durch Schulungsprogramme für das Personal, Schutzausrüstung und andere Vorsichtsmaßnahmen. „Wir haben in dieser Zeit viel darüber gelernt wie wir diese Dienstleistungen aufrechterhalten und zugleich sowohl unser Gesundheitspersonal als auch die Öffentlichkeit vor einer Covid-19-Infektion schützen können.“

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 7/2021, S.5
Bild © Owula kpakpo

[1]WHO (2021) Coronavirus (COVID-19) Dashboard https://covid19.who.int/region/afro/country/gh [Zugriff 31.8.2021]

[2]Covax beliefert erstes Land mit Impfstoff. Tagesschau, 24.2.21 www.tagesschau.de/ausland/afrika/ghana-corona-impfstoff-covax-101.html [Zugriff 28.7.21]

[3]Afulani PA et al. (2021) Inadequate preparedness for response to COVID-19 is associated with stress and burnout among healthcare workers in Ghana. PLoS ONE; 16 p e0250294. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0250294

[4]www.afro.who.int/countries/ghana [Zugriff 28.7.21]

[5]www.who.int/data/gho/data/indicators/indicator-details/GHO/maternal-mortality-ratio-(per-100-000-live-births) [Zugriff 28.7.21]

[6]Agbozo F and Jahn A (2021) COVID-19 in Ghana: challenges and countermeasures for maternal health service delivery in public health facilities. Reprod. Health;18, p 151 https://doi.org/10.1186/s12978-021-01198-5

[7] Mensah D et al. (2020) COVID-19 effects on national health system response to a local epidemic: the case of cerebrospinal meningitis outbreak in Ghana. Pan African Medical Journal. 35(2):14. https://doi.org/10.11604/pamj.supp.2020.35.2.23138

[8]WHO regional office for Africa (2020) Reinforcing key health services amid COVID-19. www.afro.who.int/news/reinforcing-key-health-services-amid-covid-19 [Zugriff 28.7.21]